Torsten Radespiel
  Gedichte der vergangenen Monate
 

Cleopatra

Ich möchte dich immerfort streicheln,
wo du kraus bist und heiß und ganz zart.
Für mich bist du, ohne zu schmeicheln,
cleopatrapart.

Ich möcht' dich verzaubern und rasend entzünden
zu Lichtbrand, versinkend im Schrei
einer Nacht voller samtweicher Sünden.
Träume sind frei.

Ich möchte dich schwebend und fliegend erleben
wie rosiger Mondglanz am Minarett.
Ich möchte dir Wolken als Kissen geben...
Hab' nur ein Federbett.
(Arno Reinfrank)


Tes hanches sont amoureuses
De ton dos et de tes seins,
Et tu ravis les coussins
Par tes poses langoureuses.

Deine Hüften sind verliebt
in deinen Rücken und deine Brüste,
und du bezauberst die Kissen
mit deinen Posen voll Verlangen.
(Aus "Chanson d'apres midi" von Charles Baudelaire, 1821-1867)



April

Die Wolken schütten Schnee und Eis.
Im Garten wechseln Grau und Weiß.

Ich säe fröstelnd Zwiebeln, Möhren,
mag der April auch noch so röhren.

Der Schneevorhang nimmt mir die Sicht,
die Aussicht auf den Sommer nicht.
(Werner Lindemann)




von notwendigkeiten

als der große sturm kam
beschloß der dichter zu schreiben
eine hymne gegen den sturm
statt zu sichern das haus
mit balken und brettern und steinen

der sturm trug
das haus
den dichter
und ein blatt papier
fort
(Jens Sparschuh)




Es ist ein Ros' entsprungen



Herbstlied

Der Frühling hat es angefangen,
Der Sommer hat's vollbracht.
Seht, wie mit seinen roten Wangen
So mancher Apfel lacht.

Es kommt der Herbst mit reicher Gabe,
Er teilt sie fröhlich aus,
Und geht dann wie am Bettelstabe,
Ein armer Mann, nach Haus.

Voll sind die Speicher nun und Gaden,
Dass nichts uns mehr gebricht.
Wir wollen ihn zu Gaste laden,
Er aber will es nicht.

Er will uns ohne Dank erfreuen,
Kommt immer wieder her:
Lasst uns das Gute drum erneuen,
Dann sind wir gut wie er.
(August Heinrich Hoffmann von Fallersleben)



Einkehr

Bei einem Wirte, wundermild,
da war ich jüngst zu Gaste;
ein goldner Apfel war sein Schild
an einem langen Aste.

Es war der gute Apfelbaum,
bei dem ich eingekehret;
mit süßer Kost und frischem Schaum
hat er mich wohl genähret.

Es kamen in sein grünes Haus
viel leichtbeschwingte Gäste;
sie sprangen frei und hielten Schmaus
und sangen auf das beste.

Ich fand ein Bett zu süßer Ruh
auf weichen, grünen Matten;
der Wirt, er deckte selbst mich zu
mit seinem kühlen Schatten.

Nun fragt ich nach der Schuldigkeit,
da schüttelt er den Wipfel.
Gesegnet sei er allezeit
von der Wurzel bis zum Gipfel.
(Ludwig Uhland)



Der erste May

Der erste Tag im Monat May
ist mir der glücklichste von allen.
Dich sah ich und gestand dir frey,
den ersten Tag im Monat May,
daß dir mein Herz ergeben sey.
Wenn mein Geständniß dir gefallen,
so ist der erste Tag im May
für mich der glücklichste von allen.
(Friedrich von Hagedorn
Copyright by Weltbild Verlag, Augsburg 1993)




Der erste Kuß

Leiser nannt ich deinen Namen,
Und mein Auge warb um dich:
Liebe Chloe, näher kamen
Unsrer beider Herzen sich.

Und du nanntest meinen Namen,
Hoffen ließ dein Auge mich:
Liebe Chloe, näher kamen
Unsrer beider Lippen sich.

O es war ein süßes Neigen,
Bis wir endlich, Mund an Mund,
Fest uns hielten, ohne Zeugen:
Und geschlossen war der Bund.
(Johann Georg Jacobi)




Der Frühling kommt bald

Herr Winter,
geh hinter,
der Frühling kommt bald!
Das Eis ist geschwommen,
die Blümlein sind kommen
und grün wird der Wald.

Herr Winter,
geh hinter,
dein Reich ist vorbei.
Die Vöglein alle,
mit jubelndem Schalle,
verkünden den Mai!
(Christian Morgenstern)




Das Hühnchen und der Diamant

Ein verhungert Hühnchen fand
einen feinen Diamant
und verscharrt' ihn in den Sand.
"Möchte doch, mich zu erfreun",
sprach es, "dieser schöne Stein
nur ein Weizenkörnchen sein!"

Unglücksel'ger Überfluß,
wo der nötigste Genuß
unsern Schätzen fehlen muß!
(Friedrich von Hagedorn)





Fürchtet euch nicht

Kommet, ihr Hirten, ihr Männer und Fraun!
Kommet, das liebliche Kindlein zu schaun!
Christus, der Herr ist heute geboren,
den Gott zum Heiland euch hat erkoren.
Fürchtet euch nicht!

Lasset uns sehen in Bethlehems Stall,
was uns verheißen der himmlische Schall!
Was wir dort finden, lasset uns künden,
lasset uns preisen in frommen Weisen!
Halleluja!

Wahrlich, die Engel verkündigen heut
Bethlehems Hirtenvolk gar große Freud',
nun soll es werden Friede auf Erden,
den Menschen allen ein Wohlgefallen.
Ehre sei Gott!
(böhmisch, um 1700)





Erste Begegnung

Sie kam, fühlte sich wie zu Hause bei mir
und schaute keck in alle Räume.
In der Badestube blieb sie länger.
Dann kam sie ins Zimmer.
Ich sah ihre kleinen Brüste, die schlanken Beine.
Unbefangen übten wir alle Spiele,
bei denen man nur sich verlieren kann,
vom Teppich bis zum Bett,
vom Kopf bis zu den Zehen.
Unterwegs nur nichts auslassen.
Schlaf, Erwachen und Fühlen.
Tastendes Einprägen und Nichtvergessen.

Nun bin ich wieder allein.
Sie muß ja wiederkommen,
denn ihre Zahnbürste steht noch bei mir.
(Werner Schwieger)



Nänie auf den Apfel

Hier lag der Apfel
hier stand der Tisch
das war das Haus
das war die Stadt
hier ruht das Land

Dieser Apfel dort
ist die Erde
ein schönes Gestirn
auf dem es Äpfel gab
und Esser von Äpfeln
(Hans Magnus Enzensberger)



September

Nun ist ein Dunkel,
weit,
über die Stunde herab
wehend. Du willst nicht gehn.
Blaß die Rosen, noch
die Aster
am Zaun herauf,
blau und der Dämmerung
Gebild.

Und wir werden einander
lieben, in jedem Morgen
setzen den Schritt, die weißen
Lieder rufen aus Schnee,
laut
und die Brust
voller Sommer,
Küsse im Nacken, Singsang
der Grillen im Haar.
(Johannes Bobrowski)




Meeresstrand

Ans Haff nun fliegt die Möwe,
Und Dämm'rung bricht herein;
Über die feuchten Watten
Spiegelt der Abendschein.

Graues Geflügel huschet
Neben dem Wasser her;
Wie Träume liegen die Inseln
Im Nebel auf dem Meer.

Ich höre des gärenden Schlammes
Geheimnisvollen Ton,
Einsames Vogelrufen -
So war es immer schon.

Noch einmal schauert leise
Und schweiget dann der Wind;
Vernehmlich werden die Stimmen,
Die über der Tiefe sind.
(Theodor Storm)




Wunsch für jeden Tag

So möcht ich jeden Abend mit dir gehn,
wenn die Laternen blaß die Straße säumen.
Die Nebel frieren in den nackten Bäumen,
und vor den Ladenfenstern Pärchen stehn.

Und fern fällt eine Stimme in den Wind,
verfroren treibt ein Liebeswort vorüber,
und einen Augenblick grüß ich hinüber,
nach überall, wo junge Träume sind.

So geh ich hin, und dir allein gelingt,
daß im November noch ein Lied erklingt
und all die Träume nicht im Wind verwehn.

So möcht ich jeden Tag beenden,
an deiner Seite und in deinen Händen.
So möcht ich jeden Abend mit dir gehn.
(Evelin Bethmann)


Perlenfischer von Ina-Kathrin Schildhauer

Frieden von Eva Strittmatter

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