Torsten Radespiel
  2008
 

Die Kinder von Izieu
 

Während der Zeit des 2. Weltkrieges versuchten viele Eltern ihre Kinder vor der Verfolgung durch die Faschisten zu schützen. Gründe für die Verfolgung waren zum Beispiel der Glaube, die Hautfarbe oder eine Erbkrankheit. Ein Weg war, die Kinder vor ihren Häschern zu verstecken. Solche Verstecke für einzelne Kinder oder Kindergruppen gab es europaweit. Wir möchten heute von einem dieser Verstecke und den Kindern erzählen - Die Kinder von Izieu.

Nordöstlich von Lyon in einem Talkessel, der sich zum Rhonetal öffnet, liegt das kleine, unscheinbare Dorf Izieu. Auf dem Weg dahin befindet sich ein ungefähr 5 Meter hoher Obelisk mit folgender Inschrift:
„Zum Gedenken an die Kinder aus dem Heim von Izieu, an ihren Direktor und ihre Lehrer, festgenommen von den Deutschen am 6. April 1944 und in Lagern ermordet oder in deutschen Gefängnissen erschossen. Wanderer, halte inne, der Du vorübergehst. Und vergiß nicht das Martyrium dieser Unschuldigen. Mögen die Stätten, an denen sie lebten, Dir auf immer geheiligt sein. Jeder Mensch ist ein Stück des Erdenrunds, ein Teil von allem. Der Tod eines jeden Menschen macht mich kleiner, weil ich der Menschheit angehöre.“
 
 
Ein ehemaliger Gutshof, umgeben von Wald und Bauernhöfen sollte den Kindern aus 8 Ländern ein neues Zuhause werden und ein sicheres Versteck bieten, da ihre Eltern teilweise bereits tot oder verhaftet waren.
Das ehemalige Hofgut wurde liebevoll für die Kinder zurechtgemacht: kindergerecht ausgestattete Zimmer, eine Spielwiese, Obstbäume, ja selbst die Schule fehlte nicht.
 
So schrieb der 8-jährige Georges Halpern an seine Eltern:
„Zum Frühstück bekommen wir Kakao mit Marmelade und Brot, zur Vesper Brot, Marmelade und Milch. Wir halten jeden Tag Mittagsschlaf und haben einen Hund, der Tomi heißt...oft scheint die Sonne und wir gehen spazieren. Im Unterricht schreiben wir Aufsätze und wir haben Rechnen, Biologie, Erdkunde. Ich bin im Grundschulkurs der 3. von 8 und habe 64 und einen halben Punkt bekommen. Ich habe ein Heft, blaues Löschpapier, einen Federhalter, einen Drehbleistift, Buntstifte. Fastnacht feiern wir ein großes Fest. Ich schicke Euch 1 Billion Küsse. Euer Sohn, der Euch sehr lieb hat.“
 
Sie waren wie wir, sie waren wie alle Kinder eben!
 
George wurde mit dem Transport Nummer 71 deportiert.
 
 
Joseph Goldberg war 11 Jahre alt und er zeichnete gern. Am liebsten Reiter auf ihrem Pferd. Seiner Mutter schrieb er: 
„Du sagst, dass ich ein großer Künstler bin, aber ich bin noch kein Maler. Vielleicht später einmal. Als Dein Brief ankam, haben wir ihn gleich gelesen und der Bäuerin gezeigt. Sie hat ihn gelesen und uns dann eine kleine Moralpredigt gehalten. Sie sagte, dass wir tüchtig lernen sollen, um nicht als Esel dazustehen, wenn Du uns nach dem Krieg wiedersiehst. Ich werde also lernen, um Dir Freude zu machen, damit Du uns alle beide nach dem Krieg als kluge Jungens wiedersiehst und nicht als Esel.“
 
Sie waren wie wir, sie waren wie alle Kinder eben!
 
Joseph und sein Bruder Henri wurden mit dem Transport Nummer 71 deportiert.
 
 
44 Kinder im Alter von 4 bis 17 Jahren fanden hier in Izieu von 1943 an für eine kurze Zeit ein Zuhause und für einige Monate Glück und Frieden.
Jedes von ihnen war einzigartig. Und über jedes von ihnen könnten wir berichten.
Am Gründonnerstag 1944, einen Tag vor Karfreitag, wurden die Kinder und ihre Erzieher von der Gestapo verhaftet und nach Auschwitz-Birkenau gebracht. Keines von ihnen überlebte.
 
Sie waren wie wir, sie waren wie alle Kinder eben!
 
 
Laßt uns mit einem an Gott gerichteten Brief der 11-jährigen Liliane Gerenstein an das traurige Schicksal der Kinder von Izieu erinnern und nicht vergessen!:
 
„Gott? Wie gütig bist Du und uns zugetan, und wenn ich alle Güte und Freundlichkeit, die Du uns hast zuteil werden lassen, aufzählen würde wollte es kein Ende nehmen... 
Gott? Alles liegt in Deiner Hand. Du bist die Gerechtigkeit, Du belohnst die Guten und bestrafst die Bösen.
Gott? Nach allem kann ich sagen, dass ich Dich nie vergessen werde. Ich werde immer an Dich denken, selbst in den letzten Augenblicken meines Lebens. Du vermagst Sicherheit und Gewissheit zu geben. Du bist für mich etwas Unsagbares in Deiner Güte. Glaub es mir.
Gott? Dir verdanke ich vorher ein gutes Leben, dass ich verwöhnt wurde und schöne Sachen bekam, die andere nicht hatten.
Gott? Nach alledem bitte ich Dich nur um das Einzige: Mach, dass meine Eltern wiederkommen, meine armen Eltern, beschütze sie (mehr noch als mich selbst). Ich möchte sie so schnell wie möglich wiedersehen. Ein einziges Mal noch. Lass sie wiederkommen. Ach! Was für eine gute Mama und was für einen guten Papa habe ich gehabt. Ich vertraue Dir so sehr, dass ich Dir im Voraus Dank sage.“
 
Sie waren wie wir, sie waren wie alle Kinder eben!
 
Liliane und ihr Bruder Maurice wurden ebenfalls mit dem Transport Nummer 71 deportiert.

(Anschließend hören wir das Lied "Die Kinder von Izieu" von Reinhard Mey, währenddessen wird ein Plakat entrollt, auf dem die Namen, das Alter und die Herkunft der 44 Kinder stehen)

Sami Adelsheimer (5, Deutschland) + Hans Ament (10, Österreich) + Nina Aronowicz (12, Belgien) + Max-Marcel Balsam (12, Frankreich) + Jean-Paul Balsam (10, Frankreich) + Esther Benassayag (12, Algerien) + Élie Benassayag (10, Algerien) + Jacob Benassayag (8, Algerien) + Jacques Benguigui (12, Algerien) + Richard Benguigui (7, Algerien) + Jean-Claude Benguigui (5, Algerien) + Barouk-Raoul Bentitou (12, Algerien) + Majer Bulka (13, Polen) + Albert Bulka (4, Belgien) + Lucienne Friedler (5, Belgien) + Egon Gamiel (9, Deutschland) + Maurice Gerenstein (13, Frankreich) + Liliane Gerenstein (11, Frankreich) + Henri-Chaim Goldberg (13, Frankreich) + Joseph Goldberg (12, Frankreich) + Mina Halaunbrenner (8, Frankreich) + Claudine Halaunbrenner (5, Frankreich) + Georges Halpern (8, Österreich) + Arnold Hirsch (17, Deutschland) + Isidore Kargeman (10, Frankreich) + Rénate Krochmal (8, Österreich) + Liane Krochmal (6, Österreich) + Max Leiner (8, Deutschland) + Claude Levan-Reifman (10, Frankreich) + Fritz Loebmann (15, Deutschland) + Alice-Jacqueline Luzgart (10, Frankreich) + Paula Mermelstein (10, Belgien) + Marcel Mermelstein (7, Belgien) + Théodor Reis (16, Deutschland) + Gilles Sadowski (8, Frankreich) + Martha Spiegel (10, Österreich) + Senta Spiegel (9, Österreich) + Sigmund Springer (8, Österreich) + Sarah Szulklaper (11, Frankreich) + Max Tetelbaum (12, Belgien) + Herman Tetelbaum (10, Belgien) + Charles Weltner (9, Frankreich) + Otto Wertheimer (12, Deutschland) + Émile Zuckerberg (5, Belgien)



Reinhard Mey: Die Kinder von Izieu


Quellen:
-Serge und Beate Klarsfeld: Die Kinder von Izieu
-www.wikipedia.de
-www.izieu.com
-Rede des Bundestagspräsidenten Wolfgang Tierse zur Ausstellungseröffnung "Mannheim-Izieu-Auschwitz" am 26.01.2004 im Deutsch-Französischen Jugendwerk in Berlin
 
  Du bist einer der 18320 Besucher dieser homepage. Danke.  
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden